Bericht von Susanne Gertsch:
Lubhoo wurde aufgeräumt vor meiner Ankunft. Der Hund ist brav an der Leine, die Böden sind gewischt und die Essensbehälter ordentlich verschlossen. Die Kinder tragen Hausschuhe und helfen in der Küche mit.
Das bedeutet- sie wissen eigentlich, wie ich es gern hätte. Jedoch zeugen die Hundehaare überall davon, dass das liebe Tier von der Leine gelassen wird sobald ich nicht da bin. Von unserer Volontärin Susanne erfahre ich, dass der Hund manchmal Essensreste direkt vom Tisch kriegt und doch noch ab und zu in den Kinderbetten seine Läuse verteilt.
Kinder machen Schmutz, das ist mir schon klar- jedoch ist der Schmutz hier von einer ganz anderen Qualität als wir uns das gewohnt sind. Nichts mit sandig- staubig, was sich leicht abwischen lassen würde, sondern hier sprechen wir von richtigem Superdreck: klebrige Flocken aus Staub, Öl, zerquetschtem Essen gut durchmischt mit etwas Kuhdung und den eisenhaltigen, roten Ablagerungen aus unserem Brunnen. Insgesamt tatsächlich sehr hartnäckig zu entfernen.
Insgesamt geht es in Lubhoo ganz ok zu und her. Die Kinder erledigen (auf Aufforderung) ihre Ämtlis gut; allerdings braucht es schon jemand, der ihnen ein bisschen auf die Finger schaut.
Vorgestern nach meiner Ankunft habe ich nicht schlecht gestaunt, als mir eine brummige Stimme „Hello Simone“ zuruft: Anik; ab sofort mit tiefer Männerstimme.
Zu meiner Überraschung sind auf den ersten Blick viel weniger Erdbebenschäden zu sehen als ich erwartet habe. Erst auf den zweiten Blick entdeckt man Risse in den Wänden, Häuser, die recht stark beschädigt aber trotzdem bewohnt sind. Im Dorfkern von Lubhoo hat es recht massive Schäden gegeben. Die neueren, zementierten Häuser haben mehrheitlich standgehalten. Ganz klar ist das Erdbeben aber ein sehr grosses Thema hier. Die Kinder haben mir am ersten Abend sehr viel erzählt darüber. Wo sie waren als es passierte, wo sie geschlafen haben, wie es bei ihren Familien aussieht.
Eine „Anekdote“ will ich euch nicht vorenthalten: Als die Schule der Kinder nach über einem Monat `Spezialferien` wieder ihre Tore öffnete, wurde als erstes ein Erdbebentraining veranstaltet. Die Kinder lernten, dass sie bei einem Erdbeben unter Türrahmen oder Tische kriechen sollten um nicht verschüttet zu werden. Wenige Tage später realisierten die Veranstalter aber, dass diese Massnahme wohl weniger geeignet ist für Nepal und höchstens in Ländern wie Japan funktioniert. So wurde zu einem weiteren Training aufgerufen bei dem die Kinder lernten, was man in Nepal bei einem Erdbeben am besten tut: Lauf aus dem Haus- so schnell wie möglich!
* Da in Nepal die einsturzgefährdeten Häuser aus einfachen Backsteinen und Lehm gebaut sind, zerfallen sie zu einem Staubhaufen und es gibt keine Betonplatten, die sich verkeilen und einen luftgefüllten Hohlraum bilden könnten.
Und wie sich zeigt, höre ich noch unzählige Geschichten über die Erdbeben. Berichte von tiefen, grollenden Tönen aus der Erde, von schwankenden Gebäuden und unbequemen Nächten. Berichte von grosser Hilfsbereitschaft im gemeinsamen Unglück und von der Notwendigkeit, das Leben weitergehen zu lassen.